Geschichte hat die Enkel "zusammengeschmiedet"
In Harpenfeld wird alte Handwerkskunst gepflegt
Harpenfeld
Grelles Sonnenlicht macht durch die uralten, gusseisernen Rundbogenfenster beißenden Qualm sichtbar.
Wuchtige Hammerschläge erschüttern den Raum: ln der Schmiedeesse haben Fritz Rickerts und Martin Lohmeyer ein Flacheisen im 1200 Grad heißen Kohlenfeuer zur Weißglut gebracht und nun spielen die beiden Schmiede, perfekt den Takt der Hammerschläge haltend, auf der Klaviatur des Ambosses.
Pferdebeschlag vor der Lohmeyerschen Schmiede. Ein massiges Arbeitspferd mit einigem Kaltbluteinschlag erhält hier, nachdem der Huf ordentlich gesäubert, geradegeschnitten und geraspelt ist, neue Hufeisen.
Foto: aus dem Privatbesitz von Martin Lohmeyer
Die beiden Männer aus Harpenfeld und Lockhausen machen aus der schweißtreibenden Handarbeit eine aufschlussreiche Nostalgieshow im Schatten der Esse. Als hatten sie sämtliche Konstruktionszeichnungen, ohne die in der Moderne kein Werkstück mehr zu erstellen ist, verinnerlicht, entsteht aus dem Roheisen mal ein Feuerhaken, mal eine Flugschar, oder ein Hufeisen.
Die püfenden, oft skeptischen, dann aber zufriedenen Gesichtsausdrücke der beiden Schmiede lassen die Grenze zwischen harter Handarbeit und kreativem Kunsthandwerk erahnen.
Was seit 1994 durch den Schmiedeverein kultiviert und der Nachwelt erhalten wird hat eine lange Geschichte.
Um die Jahrhundertwende ließ sich der wandernde Schmiedegeselle Friedrich Rickerts überreden, in Harpenfeld sesshaft zu werden um die vakante Position des Dorfschmieds einzunehmen.
Irgendwo im Bereich des heutigen Feuerwehrhauses schmiss der Urgroßvater Fritz Rickerts seine Esse an und hämmerte fortan als Harpenfelder Schmied.
Der 1856 geborene Meister seines Fachs, der auch Lehrlinge ausbildete, legte auch den Grundstein für die 1991 abgerissene Rickertsche Schmiede an der Langen Straße, deren Inventar nun zu den Schätzen der Harpenfelder Dorfschmiede gehört.
1902 erblickte mit Heinrich Rickerts ein Harpenfelder Original das Licht der Welt. 1927 trat er in die Fußstapfen seines verstorbenen Vaters und übernahm die Werkstatt. Er leitete sie bis zu seinem Tode vor drei Jahren und führte auch seinen 1934 geborenen Sohn Fritz in die Geheimnisse des "heißen Handwerks" ein.
Die Rickertsche Schmiede an der langen Straße in Harpenfeld
Foto: aus dem Privatbesitz der Familie Rickerts
Doch die Konkurrenz schlief nicht.
In Lockhausen, in das Vogtsche Anwesen heiratete, einen Steinwurf von der Rickertschen Schmiede entfernt, der 1866 geborene Heinrich Wilhelm Lohmeyer ein.
Aus den zwei Ehen des Lockhauser Dorfchmiedes gingen sechs Söhne hervor von denen fünf beim Vater den Umgang mit dem glühenden Eisen erlernten.
Nach dem Ersten Weltkrieg rückten beide Schmiedeessen noch näher zusammen.
Heinrich Wilhelm Lohmeyer, der 1950 verstarb und sein Lebenswerk in die Hände seines 1902 geborenen Sohnes Karl legte, errichtete direkt auf der Gemarkungsgrenze sein neues Domizil samt Schmiede. Letztere liegt in Lockhausen, dass Haus der Lohmeyers jedoch in Harpenfeld.
Auch Matin Lohrreyer erlernte sein Handwerk bei seinem Vater Karl.
Lebten beide Handwerkerfamilien fast ein Jahrhundert in einer Konkurrenzsituation, entspannte sich das Verhältnis, als mit der Technisierung der Untergang der Dorfschmieden begann.
Vor diesem Hintergrund wurde es dank einer von Karl-Heinz Schnieder gestarteten Initiative möglich, in Harpenfeld ein lebendiges Kleinod der Geschichte wieder herzustellen.
Die Enkel, Martin Lohmeyer und Fritz Rickerts, taten sich zusammen und stifteten dem Schmiedeverein nicht nur ihr Fachwissen, sondern auch große Teile des Schmiedeinventars.
Das Herzstück der Schmiede, die mit Hilfe von Dorferneuerungsgeldern überholt wurde, bilden die beiden im Blaumann das Eisen schmiedende Handwerker, ohne deren funkensprühenden Elan, das Kleinod in Harpenfeld nur als totes Anschauungsmaterial dienen würde.
Erst wenn die 1893 erbaute Drehbank und die alte Bohrmaschine, die ein Drehstromschleifringläufer, ein antiquierter Elektromotor, antreibt, von der Hand des Fachmannes bedient werden und der beißende Qualm der Esse in der Luft liegt, die Funken vom schweren Schlag der beiden im Takt geführten Hämmer stieben und das Eisen geschmiedet wird, solange es heiß ist, wird der Besuch in die Vergangenheit des Schmiedehandwerks zu einem abenteuerlichen Erlebnis.
Quelle:
NOZ Bericht. Das Datum ist leider nicht bekannt.