Feurig, anstrengend und präzise
Schmieden im Selbstversuch: So schlägt sich Sara Streiter in der Harpenfelder Dorfschmiede
Von Sara Streiter | 26.03.2023, 11:50 Uhr
Bis zu 1200 Grad heiß kann das Eisen werden. Ein heikles Spiel mit dem Feuer.
FOTO: STEFAN GELHOT
Schmieden ist altmodisch, Knochenarbeit und kein Hobby für junge Menschen? Oder hat die Arbeit mit Hammer, Eisen und Feuer Potenzial zum Trend? Volontärin Sara Streiter besucht eine Schmiede in der Gemeinde Bad Essen und versucht sich an dem Handwerk. Schafft sie ihr Schmiedediplom?
In diesem Artikel erfährst Du:
Wie schwierig Schmieden ist.
Was Sara für ihr Schmiede-Diplom machen muss.
Welche Deko man sich selbst schmieden kann.
Schon beim Betreten der Harpenfelder Dorfschmiede habe ich ein heimisches Gefühl. Ich komme aus einem Dorf bei Rheine, da kenne ich Scheunen wie diese sehr gut. „Die geselligsten Abende finden an solchen Orten statt“, denke ich. Da sehe ich auch schon das Feuer am Ende des Raums. Gewaltig schlägt es über dem Ofen nach oben. Ich bin bereit und freue mich, dieses traditionelle Handwerk auszuprobieren. Aber ganz so schnell geht es nicht.
Bevor ich mich zur Feuerstelle begebe, stelle ich mich erst einmal vor und verschaffe mir einen Überblick, wer hier ebenfalls neu ist und wer zum alten Eisen gehört, wenn ich mir das Wortspiel erlauben darf. Nach ein paar netten Unterhaltungen mit Veranstaltern und anderen Teilnehmern bekomme ich einen erfahrenen Schmied zur Seite gestellt. Martin Lohmeyer hilft mir heute, mein Schmiedediplom zu bekommen. Um das zu erreichen, muss ich eine Spitze schmieden. Fehlt nur noch die Schürze und auf geht‘s.
Um meine Kleidung vor Hitze oder Funkenflug zu schützen, bekomme ich eine Lederschürze umgehängt.
FOTO: STEFAN GELHOT
Die ersten Schläge sind kräftig, aber unpräzise
Zusammen mit Martin Lohmeyer wähle ich einen Hammer und einen runden Rohling aus Stahl. Den werde ich gleich zur Spitze ausschmieden. Doch auf einmal knistert das Feuer und es sieht aus, als wären 100 Wunderkerzen hineingefallen. „Oh, das war zu heiß, das Eisen ist verbrannt und wir können es wegwerfen“, höre ich von der anderen Schmiedestelle. Die Erkenntnis, dass Werkstoffe wie diese so schnell verbrennen, nehme ich mit an meinen Arbeitsplatz.
Rechts und links neben dem Ofen befinden sich zwei Stellen zum Schmieden.
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Dann beginnen wir mit dem Schmieden. Martin Lohmeyer legt meinen Rohling in die Glut und erklärt mir währenddessen die ersten Schläge auf den vorderen Bereich. Dann holt er ihn aus dem Feuer und übergibt ihn mir. „Achtung! Los geht‘s, einfach vorne drauf“, sagt er. Ich schlage mit voller Kraft, ziemlich unkoordiniert, wie ich finde. Meint auch mein Lehrer und erklärt, dass der Hammer eine Neigung nach vorne aufweisen sollte, damit mein Endprodukt schön spitz wird.
Sara schlägt zu.
FOTO: STEFAN GELHOT
Komm schon Sara, nicht so viel nachdenken
Ich brauche eine Weile, um zu verstehen, wie ich den Hammer neigen muss, damit eine spitzen Spitze ensteht. Während ich überlege, legt Lohmeyer den Rohling wieder ins Feuer. Ich verspüre Zeitdruck, den Prozess zu verstehen und nebenbei mein Werk nicht verbrennen zu lassen. Komm schon Sara, nicht so viel nachdenken, mahne ich mich selbst.
Für den Feinschliff soll ich meine Arbeit gleichmäßig wenden und schlagen. Der Rundstahl ist vorne schon ganz dünn. Ins Feuer darf er nur noch kurze Zeit. Meine Spitze ist zwar zu erkennen, jedoch finde ich sie nicht proportional. „Das war es schon?“, denke ich beinahe traurig. Bin ich doch gerade erst eine halbe Stunde dabei und steigere mich. „Nun müssen wir die Spitze noch abtrennen, damit sie mitgenommen werden kann“, sagt Lohmeyer. Ich bin bereit für den Abschlag!
Ohne die Unterstützung von Martin Lohmeyer würde es wohl nicht so gut funktionieren.
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Nach ungefähr zehn Minuten fühle ich mich schon routiniert. Schmied Lohmeyer legt den Stahl ins Feuer, wir besprechen die nächsten Schläge und es geht weiter. Schlag auf Schlag, bis ich mit den Worten „Stop, der Stahl ist schon wieder zu kalt“ unterbrochen werde. Zu kalt, um ihn zu verformen, sind übrigens immer noch 700 Grad. Zwischendurch muss ich den unteren Teil der „Spitze“ immer wieder zurückbiegen. Es wirkt schon fast wie Gummi.
An der Feuerstelle ist es schön warm, nicht zu heiß. Vielleicht habe ich mich noch nicht genug angestrengt.
FOTO: STEFAN GELHOT
Für den Feinschliff soll ich meine Arbeit gleichmäßig wenden und schlagen. Der Rundstahl ist vorne schon ganz dünn. Ins Feuer darf er nur noch kurze Zeit. Meine Spitze ist zwar zu erkennen, jedoch finde ich sie nicht proportional. „Das war es schon?“, denke ich beinahe traurig. Bin ich doch gerade erst eine halbe Stunde dabei und steigere mich. „Nun müssen wir die Spitze noch abtrennen, damit sie mitgenommen werden kann“, sagt Lohmeyer. Ich bin bereit für den Abschlag!
Martin Lohmeyer hält die Spitze mit der Zange fest, ich trenne sie mit Hammer und Meißel ab.
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„Und jetzt so lange schlagen, bis ich Stopp rufe“, sagt der Schmied. Ich schlage gezielt. Gleich habe ich ein Stück Handarbeit für zu Hause. „Einmal noch Schlagen und Stopp“, sagt Lohmeyer. Den Rest biegt er einfach ab. Kurz frage ich mich, wie lange ich jetzt bis zum Auskühlen warten muss, da zeigt mein Lehrer auf den Wassereimer. Ich nehme mein Kunstwerk mit einer Zange in die Hand, halte es in den Eimer: „Tschhh“...
Zum Abkühlen tunke ich die Spitze in ein Wasserbad.
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„Alle mal herhören, ich bitte um eure Aufmerksamkeit“
Während ich mein jetzt spitzes Stück Stahl begutachte, höre ich Martin Lohmeyer laut etwas ankündigen: „Alle mal herhören, ich bitte um eure Aufmerksamkeit“ ruft er. „Sara hat heute ihr Schmiedediplom bestanden“, fügt er hinzu. Alle klatschen und ich bin beinahe verlegen. Ich bekomme eine Urkunde und darf mir jemanden zum Anstoßen aussuchen. Natürlich wähle ich Schmied Lohmeyer.
Prost! Auf mein Schmiedediplom.
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„Es müsste noch ein bisschen Übung kommen“
„Und? Wie war ich?“, frage ich meinen Lehrer nach der ersten Schmiedestunde, die nur 30 Minuten gedauert hat. „Da müsste noch ein bisschen Übung kommen“, sagt er und holt mich schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. „Dafür, dass Sie noch nie geschmiedet haben, aber recht ordentlich“, sagt Lohmeyer. Vor allem lobt er meine letzten Hammerschläge gegenüber den ersten. Schade, dass nach mir noch andere schmieden wollen. Ich könnte den ganzen Abend weitermachen. Auf der Rückfahrt und am Folgetag merke ich allerdings ein leichtes Zittern in meiner rechten Hand. Auch mein Körper scheint die ungewohnte Bewegung wahrzunehmen.
Hier halte ich neben Martin Lohmeyer mein Schmiedediplom und meine geschmiedete Spitze in der Hand.
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Individuelle Handarbeit für zu Hause
Nach dem Schmieden möchte ich wissen, ob sich die Menschen hier auch Dinge für den Wohnraum fertigen. „Ja, das machen wir auch. Zum Beispiel Ringe als Deko für den Garten oder Hufeisen“, sagt ein Mann. Ein weiterer erzählt mir von Kreuzen, die Eltern momentan für ihre Kinder zur Kommunion schmieden. In meinem Kopf habe ich viele Ideen für individuelle Geburtstagsgeschenke. Über etwas Selbstgemachtes freut sich doch jeder! Aber meine erste geschmiedete Spitze, die behalte ich.
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Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Breiter Gang 10-16 49074 Osnabrück
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